Zur Besetzung des Audimax
Am 30.11. und 1.12. wurde das Audimax besetzt. Beteiligt waren nach unserer Kenntnis vor allem die Gruppe „End Fossil: Occupy!“, die Antifa, „Fridays und Students for Future“ etc. und zumindest Teile der Bunten Liste. Auf Grund der Besetzung fielen diverse universitäre Vorlesungen aus, andere dagegen konnten mit Zustimmung der Besetzer:innen stattfinden.
Am 30.11. bereits erfolgte der erste Austausch mit dem AStA-Vorstand der benachbarten Hochschule. In diesem wurde uns mitgeteilt, dass der Versuch der Kommunikation mit den Besetzer:innen sofort abgebrochen wurde, als sich dieser AStA-Vorstand als AStA-Vertreter zu erkennen gab. Auch seien Mitglieder der Hochschule allein dafür bepöbelt worden, dass sie sich neutral alles anschauen wollten. Diskussion war somit offenkundig nicht das Ziel.
Ebenfalls am 30.11. musste die Veranstaltung „Campuskino“ zugunsten der Besetzung ausfallen. Das Freibier, das für die ausgefallene Veranstaltung vorgesehen war, hätten die Besetzer:innen laut einer Anfrage bei uns aber in Anspruch nehmen wollen, was wir jedoch ablehnten, mit Verweis auf die bekannten internen Vorgaben in Bezug auf die Verwendung von Geldern.
Wir hatten zudem sicherheitshalber die geplante Veranstaltung „Alles außer Qatar-WM!“ am 1.12. abgesagt, weil nicht sicher davon ausgegangen werden konnte, dass die Besetzung rechtzeitig vorher beendet würde.
Einer gleichartigen Veranstaltung am Sonntag zuvor wurde die Nutzungsgenehmigung von der Hochschule aus energetischen Gründen und wegen der dadurch verursachten Extrakosten (Sicherheitsdienst außerhalb der regulären Schließzeiten) versagt. Den Besetzer:innen dagegen wurde nicht nur die Besetzung selbst gestattet (oder zumindest geduldet), während alle anderen Studierenden dafür stets rechtzeitig im Voraus eine Nutzungsgenehmigung einholen müssen, sondern darüber hinaus noch angeboten, den Sicherheitsdienst regelmäßig vorbeischauen zu lassen, unter eigener Tragung der Kosten.
Auch von Seiten der Universitätsleitung wurde die Nutzung von universitären Ressourcen wie des Mailverteilers allestudierenden@ und der Räume (inkl. des Audimax) an die Anerkennung als sog. Studentische Vereinigung (auch Hochschulgruppe genannt) seit 19. April dieses Jahres im Rahmen einer neuen Richtlinie und darin an die Erfüllung diverser Vorgaben gekoppelt. Teil dieser neuen Vorgaben ist, dass sich die Studentische Vereinigung eine Satzung geben muss (inkl. Vorstand und Kassenprüfer:innen), eine Mindestanzahl von fünf Mitgliedern aufweist und sich in der Satzung zur verfassungsmäßigen Ordnung bekennt. In einem Gespräch von uns mit dem Universitäts-Präsidium wurde letztere Maßgabe explizit vom Präsidenten betont, als wir die neue Richtlinie dahingehend deutlich kritisierten, dass sie wegen der hohen, dem Vereinsrecht entlehnten Hürden studentisches Engagement stark beschränke und nicht wie eigentlich gewünscht erleichtere. Es wurde aber deutlich, dass ein stark regelbehaftetes System durchaus beabsichtigt war. Wir haben vor einigen Wochen eine deutlich vereinfachte Richtlinie zur Ersetzung der bestehenden beim Präsidium eingereicht.
Die Regeln der aktuellen Richtlinie waren jedoch bei der Besetzung nicht mehr wie bisher die Maßgabe. Im Gegenteil: Der Uni-Präsident ließ sich von der Presse mit den Worten „Ich habe Verständnis für jene Formen des zivilen Ungehorsams, die von einer Generation ausgehen, die den Älteren die Dringlichkeit von schnellen Maßnahmen gegen die drohende Klimakatastrophe begreiflich machen wollen.“ zitieren. Unverständlich ist dies auch deswegen, weil noch zu Beginn des vergangenen Jahres eine Online-Diskussion mit einer Waldbesetzer:in im Rahmen einer Studiengangskonferenz zumindest im öffentlichen Raum untersagt wurde. Leider gab es in der Folge keinen notwendigen, universitätsweiten Diskurs darüber, wie allein mit der Diskussion über Formen des zivilen Ungehorsams zukünftig umgegangen werden solle, und so stehen wir aktuell etwas ratlos da, was denn nun die Position der Universität ist. Das Anstoßen genau dieses Diskurses hatten wir den Vertreter:innen von Students for Future wenige Wochen vor der Besetzung in Aussicht gestellt. Dies wollte man aber wohl nicht abwarten.
Die das Hausrecht innehabende Hochschule äußerte sich zur Besetzung zunächst gar nicht öffentlich. Intern verwies sie darauf, dass es sich bei den Besetzer:innen um Universitäts-Studierende handele, während vom Uni-Präsidenten auf das Hausrecht der Hochschule verwiesen wurde.
Die Inkonsistenz des Verhaltens der Hochschulleitungen und das bemerkenswerte Fingerzeigen auf die jeweils andere Seite veranlasste beide AStA-Vorstände, das Gespräch direkt mit den Präsidenten zu suchen. Es durften jedoch am Freitag, also einen Tag nach dem Ende der Besetzung, der AStA-Vorstand der Hochschule nur mit dem Präsidenten, der Kanzlerin und dem Pressesprecher der Hochschule sprechen sowie der AStA-Vorstand der Universität mit dem Präsidenten letztgenannter.
In den Gesprächen, auf deren Inhalte wir zugunsten der Hochschulleitungen nicht weiter eingehen wollen, wurden die Inkonsistenzen nicht nur nicht aufgelöst, sondern beide AStA-Vorstände fühlten sich respektlos behandelt, da ihre Bedenken nicht als legitim behandelt wurden. Unser Eindruck war, dass auf beiden Seiten die Furcht vor schlechter Publicity die entscheidende Antriebskraft war. Kritik an dem eigenen Verhalten wurde jeweils weggewischt.
Dabei wurde von Seiten der AStA-Vorstände jeweils gar nicht die Räumung gefordert, was angesichts der bereits beendeten Besetzung ohnehin auch gar nicht mehr möglich war, sondern vielmehr eine schlüssige Erklärung, warum sich die sonstigen Studierenden und ihre Vertreter:innen in den Studierendenschaften regelmäßig an ein immer umfassenderes Regelwerk halten müssten, das studentisches Engagement eher erschwert als ermöglicht, und warum sich nicht zumindest von der Art und Weise des Protests distanziert wurde. Denn insbesondere die Stellungnahme des Uni-Präsidenten war geeignet, nicht nur nicht als Distanzierung, sondern eher noch als Ermutigung verstanden zu werden. So war es bei den Besetzer:innen offensichtlich auch verstanden worden.
Es wurde von den verantwortlichen Stellen der Eindruck vermittelt, als wären alle Teile des Campus mit genau dieser Art des Protests und genau dieser Art der Vorgehensweise einverstanden gewesen. Da das garantiert nicht zutreffend ist, war es an uns, eine Art Kontrapunkt zu setzen. Die Position der Bestzer:innen und ihrer Befürworter:innen (inkl. der Präsidenten) war bereits klar nach außen getragen. Nun bedurfte es in der Außendarstellung zumindest eines Hinweises, dass es keineswegs eine durchweg einheitliche Meinung gab. Selbst unsere Pressemitteilung zeugt keineswegs von einer Pauschalverurteilung aller Elemente, sondern ist von diversen Überlegungen getragen, was hoffentlich spätestens in dieser Erläuterung auch zum Ausdruck kommt. Der Artikel im sh:z war reißerisch (im Gegensatz dazu der Artikel in der Flensborg AVIS), aber er übernahm zumindest erkennbar die eigentliche Intention, einen Kontrapunkt gegenüber der nicht-differenzierten Äußerung unseres Präsidenten vorzunehmen, korrekt auf.
Um es noch einmal klar zu sagen: Wir haben keine Räumung gefordert, denn diese wäre insbesondere auf Grund der vergleichsweise kurzen Dauer der Besetzung nicht verhältnismäßig gewesen. Darauf wiesen beide AStA-Vorstände in der Pressemitteilung vom Montag explizit hin.
Genau so klar: Wir sehen die Besetzung als Diskursmittel insbesondere von Gruppen, die sonst auch keine Probleme haben, ihre Positionen prominent, bspw. in den Gremien der Hochschulen, zu platzieren, kritisch. In einem regelbasierten System, auf das jede Gesellschaft fußt, kann es nicht sein, dass Einzelne ihren Forderungen dadurch mehr Nachdruck verleihen suchen, indem sie sich Rechte nehmen, die anderen nicht zustehen. Dies erscheint auch im Sinne einer geforderten wie auch immer gearteten Gerechtigkeit nicht schlüssig. Ob ein sog. Klimanotstand letztlich doch dazu berechtigt, ist mindestens umstritten. Von einer einheitlichen Meinung dazu ist diese Gesellschaft jedenfalls weit entfernt. Daher kann auch niemand für sich in Anspruch nehmen, für die Mehrheit aller Menschen zu sprechen. Zumal es außerordentlich unterschiedliche und gleichsam legitime Ansichten darüber gibt, wie die notwendigen Maßnahmen zur Begegnung der drohenden Klimakatastrophe letztlich am besten und vor allem am sozial ausgewogensten ausgestaltet werden.
Wir befürchten diesbezüglich sehr viel heftigere Verteilungskämpfe innerhalb der Gesellschaft, die weit jenseits dessen liegen, was wir aktuell beobachten. Wir befürchten ferner, dass die Gutheißung von Aktionen, die sich außerhalb des Regelsystems bzw. außerhalb des sonstigen demokratischen Diskurses (bspw. in Gremien- und sonstiger Diskussionspartizipation) abspielen, im weiteren Verlauf der Aushandlung in den kommenden Jahren als Blaupause auch von anderen gesellschaftlichen Gruppen genutzt werden, mit Verweis darauf, dass es bei den Klimaprotesten ja auch ok war. Ernsthaft: Wir befürchten, dass die gewählten Mittel später bspw. von Rechten genutzt werden können, ohne dass man ihnen dann noch mit der Irregularität begegnen könnte. Daran ändert auch nichts, dass sich eine Gruppe stets auf der richtigen Seite der Geschichte wähnt.
Was uns zu 100 % mit den Besetzer:innen und allen Sympathisant:innen vereint, ist die unbedingte Verhinderung zum einen der Klimakatastrophe und zum anderen, dass dieses Land wieder braun oder zumindest deutlich brauner wird. Was uns trennt, ist die Art und Weise, wie wir das zu verhindern suchen. Wir wollen dies innerhalb (!) des gegebenen (und sicher alles andere als perfekten!) Systems tun, die anderen außerhalb dessen.
Hilfreich ist sicher nicht, wenn eine Seite der anderen die Legitimation abspricht. Wobei wir das in Bezug auf die Klimakrise nicht tun, wir bezweifeln maximal die Legalität und den in unseren Augen Missbrauchen von nicht gegebenen Rechten und auf unsere spezielle Situation bezogen die Inkonsistenz, wie sonst mit studentischem Engagement, das auch wertvoll ist, umgegangen wird. Den Inhalten in Bezug auf die Klimakrise sprechen wir aber keineswegs die Legitimation ab.
Andersherum werden wir damit konfrontiert, dass eine Kritik an der Art und Weise automatisch gleichgesetzt wird mit einer inhaltlichen Distanzierung. Wir sind damit sofort die Feinde derer, die sich für die Verhinderung der Klimakatastrophe engagieren. Es ist unserer Auffassung nach genau dieser Absolutismus, der – obwohl gegenteilig beabsichtigt – mit dazu beiträgt, dass sich mehr und mehr Teile von der Demokratie abwenden. Vielleicht ist es eine steile These, aber die Erstarkung rechter Gruppen kann durchaus auch mit der Art und Weise zu tun haben, wie die Klima- und andere Debatten von linken Teilen der Gesellschaft geführt werden, bevormundend und absolutistisch.
Denn es bleibt thematisch nicht bei den Fragen rund um den Klimawandel. Wie auf der Website https://endfossil.de/ zu lesen ist, geht es bei den Besetzungen auch um „lokale Forderungen“. So wird quasi im Kielwasser der Klimawandelproteste die Tür für prinzipiell alles andere, was es zu fordern gibt, geöffnet. Selbst wenn man annähme, dass es einen gesellschaftlichen Konsens hinsichtlich eines Klimanotstandes gäbe, hieße das nicht, dass damit die Berechtigung verbunden wäre, sämtliche Inhalte mit dem Mittel bspw. einer Besetzung zu plazieren.
Aber genau diese Ausweitung passiert, auch bei der Besetzung auf unserem Campus. Natürlich kann man von einer Bildungskrise sprechen, natürlich ist sie es wert, intensiv behandelt und diskutiert zu werden. Aber sind wir davon überzeugt, dass selbst unter der angenommenen Gültigkeit des Klimanotstandes kein allgemeiner Diskursnotstand herrscht, der dazu berechtigt, alles in einen Topf zu werfen und mittels einer Besetzung durchzusetzen.
Wir sind felsenfest davon überzeugt, dass sich die geschehene Besetzung mit ihrem Sammelsurium an Forderungen wie „Der Campus muss politisch sein“ oder „Bildungskrise überwinden“ zu weit vom Klimanotstand entfernt hat und damit eben keine angenommene Berechtigung mehr hatte, auf diese Art vorzugehen.
Wir sind zudem zu 100 % davon überzeugt, dass die überwältigende Mehrheit der Uni-Kommiliton:innen beim Anblick der Bodenbesprayung zwischen Bibliothek und Audimax namens „FICK DIE UNI [Antifa-Logo]“ nicht denkt: „Ja, genau, fick die Uni!“ Die Verwurstelung verschiedenster Forderungen hat der Besetzung ihre eigene inhaltliche Legitimation mindestens beschädigt. Und so ist es auch nicht besonders verwundernswert, wenn die Teilnahme an der Besetzung nur minimal war, laut sh:z stets zwischen 15 und 20 Personen.
Insgesamt scheiterte diese Aktion daran, dass sie gar nicht die erreicht hat, die sie erreichen müsste. Es ist zudem davon auszugehen, dass die ohnehin sehr wenigen Teilnehmenden zumindest zu einem substantiellen Anteil aus derselben „Bubble“ wie die Besetzer:innen stammten. Stattdessen verkam die Besetzung eher zu einer Selbstwirksamkeitserfahrung einer Bubble, die letztlich nur mit sich selbst spricht. Dagegen wäre es so eminent wichtig, gerade außerhalb der eigenen Bubble zu wirken. Dem steht nach unserer Überzeugung jedoch die Art und Weise im Weg.
Der thematische Ablaufplan der Besetzung erschien uns von Anfang an fast vollständig für eine „reguläre“ Public Climate School angemessen, die man auch schlicht hätte anmelden und dann gemeinsam (!) mit den üblichen „Playern“ umsetzen können. Es dürfte nicht weit hergeholt sein, dass dies auch mehr Menschen angezogen hätte, was zumindest wegen des Klimaschutzes angebracht gewesen wäre.
Einer Besetzung hätte es für diesen inhaltlichen Ablaufplan schlicht nicht bedurft. Aber, es war wichtiger (Vermutung!), dass auch in Flensburg zumindest einmal besetzt wurde, als gehöre dies mittlerweile zum guten Ton. So ist zumindest auch ein Kommentar zu verstehen, der bezogen auf unsere Pressemitteilung kritisch anmerkt: „Besetzungen sind doch mittlerweile gang und gäbe!“
Allerspätestens wenn eine solche Aktion zum Selbstzweck verkommt, sind wir sicher, dass das nicht dem Willen einer deutlichen Mehrheit der Studierenden an einer sog. wissenschaftlichen Hochschule entspricht. Und genau das haben wir zum Ausdruck gebracht, genau dazu stehen wir nach wie vor. Und dies wäre mit einer „weicheren“ Pressemitteilung nicht gelungen. Der oben benannte Kontrapunkt war notwendig.
Und übrigens: Wer mit dem Klimanotstand argumentiert, möge beachten, dass dieser nur gelten kann, wenn eine andere Art und Weise des Protests nicht möglich ist. Eine umfassende Deckungsgleichheit des inhaltlichen Ablaufplans der Besetzung mit dem einer Public Climate School lässt daran mindestens zweifeln.
Zum Schluss bezüglich des Überfalls: In unserer Pressemitteilung haben wir unser Eintreten für Vielfalt und die Achtung der Menschenrechte deutlich gemacht. Demzufolge verurteilen wir strikt jede Kritik in Gewaltform. Unverständlich empfinden wir die Schilderung des Überfalls seitens der Bunten Liste in ihrem Instagram-Post, weil es zum einen nicht klar ist, wieso ein Überfall zwei Stunden andauern kann und nicht durch ein Alarmieren der Polizei beendet wird, wenn er denn tatsächlich gravierend war. Zum anderen ist das Zitieren einer selbst als stark alkoholisiert bezeichneten Person mit den Worten „Es geht ums große Ganze“ eher der Satire zuzuordnen. So haben es diverse Studierenden verstanden, mit denen wir gesprochen haben. Und schließlich ist nicht ersichtlich, warum den Angreifern im selben Post mit einem Zwinkersmiley begegnet wird. Der gesamte Post ist wenig geeignet, einen ernsthaften Überfall anzuklagen. Daher war die Notwendigkeit einer expliziten Verurteilung der dargestellten Geschehnisse nicht zu erkennen.
Flensburg, den 19.12.2022
Der AStA-Vorstand
Zeitungsartikel:
https://www.shz.de/lokales/flensburg/artikel/uni-flensburg-klima-aktivisten-besetzen-das-audimax-43661039
https://www.shz.de/lokales/flensburg/artikel/audimax-besetzung-in-flensburg-asta-uebt-kritik-an-uni-praesident-43696893
https://www.shz.de/lokales/flensburg/artikel/diskussionsrunde-mit-hanna-poddig-nicht-oeffentlich-kritik-an-entscheidung-41859304
https://www.shz.de/lokales/flensburg/artikel/nach-protesten-diskussion-mit-hanna-poddig-nun-unter-ausschluss-der-oeffentlichkeit-41859155
https://www.shz.de/lokales/flensburg/artikel/freispruch-fuer-flensburger-was-das-fuer-klimaproteste-bedeutet-43524937